Diesen Text habe ich am 14. Juni 2019 verfasst, an dem abertausende von Frauen für Frauen streikten.
Gestern hat eine liebe Frau nach einer Yoga Stunde zu mir gesagt: Es wäre doch schön wenn du morgen deinen Arbeitstag hättest, dann könntest du streiken.
Ich überlege einen Moment und sage ihr dann, ich arbeite trotzdem, sonst müsste ich ja gegen mich selbst streiken.
Dieser Gedanke hat mich noch den ganzen Tag begleitet. Weil manchmal hab ich auch Lust zu streiken. Manchmal habe ich auch keine guten Arbeitsbedingungen.
Meine Arbeitsbereiche sind zum einen das Mutter sein, auch wenn es die wunderbarste Aufgabe überhaupt ist. Manchmal möchte ich mehr Lohn, begrenzte Arbeitszeit, weniger Multitasking, weniger Arbeit und zufriedenere, dankbarere Kunden (Kinder).
Dann bin ich selbständige Yogalehrerin und habe die Yoga Werkstatt mit Elisa aufgebaut. Auch da möchte ich manchmal bessere Bedingungen. Ich kann mir keine erfüllendere Arbeit als das Yoga unterrichten vorstellen. Nur leider ist der Yoga Unterricht, das Vorbereiten der Stunden und Workshops, der kleinste Teil meiner Arbeit. Manchmal möchte ich auch da begrenzte Arbeitszeit, die Arbeit im Hintergrund, der administrative Aufwand, die Infrastruktur, Sitzungen, das ständige weiterentwickeln, à jour sein und tüfteln ist unendlich. Ich möchte ausserhalb meiner selbstdefinierten Arbeitszeit abschalten, mich meinen Kindern und meinem Mann widmen und nicht weiter hirnen, weiter diskutierten und weiter arbeiten.
Und auch als Grafikerin arbeite ich inzwischen wieder selbständig, auch da gibt es noch Verbesserungspotenzial. Ich möchte einen angemessen Stundenlohn verlangen für meine Arbeit. Ich arbeite viel von Hand, weil ich wegen der Yoga Werkstatt schon viel zu viel am Compi sitze! Von Hand zu illustrieren braucht Zeit, diese Stunden teile ich meist durch zwei. Weil ich das Gefühl habe, man sieht bei einer Illustration nicht wie viel Aufwand die Recherche, Skizzen und die Ausführung war.
Also, ich sollte heut wirklich auch streiken! Aber nur gegen mich selbst! Ich sollte mich und meine Arbeit mehr respektieren! Und mir den Lohn anrechnen, den ich brauche und mir Räume einrichten, um mal abzuschalten.
Und natürlich streike ich auch gegen unsere Gesellschaft, die es Mädchen, Frauen, Mütter und Grossmütter immer noch schwer machen sich selber zu verwirklichen und verhindern, dass wir mit den gleichen Chancen durchs Leben gehen wie unsere Artgenossen.
Ich streike für meine Tochter Rea. Ich arbeite jeden Tag hart dafür, hart an mir, damit sie mit einer Mama aufwächst, die sich selber respektiert und liebt. Ich arbeite hart dafür, dass Rea mit einer Mama aufwächst, die dafür kämpfen kann, dass andere sie und ihre Arbeit respektieren. Ich arbeite dafür, dass es Frauen geben kann, die kraftvoll und erfolgreich sein können, ohne sich selber kaputt zu machen.
Ich arbeite auch für meinen Sohn Finn, damit er von Anfang an ein Bild einer Frau vor sich hat, die hingebungsvoll ihre Kinder liebt und trotzdem für sich arbeitet und sich verwirklicht auf allen Ebenen. Ich möchte, dass mein Sohn einen Eindruck von Frauen bekommt, die genauso viel arbeiten und genauso viel Bedürfnisse haben wie Männer.
Iona Knieriemen.
Illustration von Weronika Siwiec aus einem Interview mit Laura Day "Why it's essential women begin to understand their energetic boundaries."
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